Archiv der Kategorie: Alltagsgeschichten

Der Turmbau

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Sonja, Markus und Chris wohnten mit ihren Eltern in einer 3-Zimmer- Wohnung. Im Kinderzimmer war daher nicht besonders Platz viel für jeden. Das hieß, sich vertragen und frühzeitig lernen Kompromisse zu schließen. Aber man lernte auch miteinander zu spielen und man hatte fast immer Gesellschaft, selbst wenn kein Freund Zeit hatte.
Der Vater hatte für die Kinder aus Holzleisten Bausteine gesägt und gut geschliffen und geglättet, als Farbe zeigten sie nur ihre schöne Holzmaserung. Es waren wunderschöne Steine, die herrlich aufeinander lagen, mit denen man Straßen, Pueblos und Türme bauen konnte, die fast an die Decke reichten, wenn man die bunten Steine von den Großeltern noch dazu nahm.
Turmbau1   An diesem regnerischem Nachmittag beschlossen die drei Geschwister wieder einen ihrer Türme zu bauen. Also schüttete man zuerst den Sack aus. Chris der jüngste, war erst vier Jahre, er durfte erst seit kurzem selber mit bauen, wenn die älteren Geschwister diesen hohen Turm bauten. Also ließ Sonja (9Jahre), die Älteste, Markus (8 Jahre) und Chris beim Bauen den Vortritt. Reihe um Reihe wurden sorgfältig die Steine aufeinander gelegt, denn sie hatten durch Erfahrung gelernt, ein guter und ordentlicher Unterbau verleiht dem Turm eine große Standfestigkeit.
Bald hatten sie den Punkt erreicht, wo Markus auf den Stuhl stieg, damit der Turm weiter wachsen konnte. Nun kommandierte er: „Sonja, ich brauche wieder zwei Steine, ja die langen dünnen, die langen dicken haben Chris ich schon alle verbaut, von denen ist nur noch einer da.“ Also reichte ihm Sonja die langen Steine zu. „Nein, Chris, noch nicht die bunten Steine, erst die langen Holzsteine, genau die!“, gab nun Sonja die Anweisung an den Jüngsten weiter. Während Markus wartete, nahm Sonja die naturfarbenen Holzsteine, die Chris ihr reichte.
„Der Turm wird schön, Sonja, gell?“ „Hhmh“, gab Sonja zurück dabei auf den Turm schauend. Bald hätten sie den Punkt erreicht, bei dem Markus auf sein Hochbett steigen musste, denn der Turm hatte bestimmt fast 1,70 m erreicht. Sonja, Markus und Chris freuten sich, bisher hatten sie alles richtig gemacht. Der Turm stand sicher, nichts wackelte. Es klopfte an der Tür, „Vorsicht!!“ ertönte es auch drei Kinderkehlen, die Tür ging auf und vorsichtig schaute die Mutter ins Zimmer. „Mama, schau, wir bauen einen ganz großen Turm!“, erklärte Chris, während Markus auf seinem Bett hockte und weitere Steine vorsichtig auflegte, da nun der Turm schmaler wurde in der Spitze.
Turmbau2   „Oh“, bewunderte die Mutter das Bauwerk, „wenn er heute Abend noch steht, darf er über Nacht stehen bleiben.“
„Toll“, freute sich Sonja, „gib Dir also weiterhin Mühe Markus. Ja, Chris, jetzt braucht Markus die grünen Steine, gib sie mir bitte, damit ich sie weiter geben kann.“
Die Tür schloss sich wieder vorsichtig. Die Mutter wusste nun, was die Kinder taten. Wenn es gar so ruhig wurde, schaute sie einfach gerne nach.
Nun dauerte es nicht mehr lange. Nach weiteren 10 Minuten wurde der letzte Stein auf den Turm gelegt. Er maß nun über 2 m. Langsam kletterte Markus vom Bett, das Bauwerk hatte nicht gewackelt. Die Säcke für die Steine wurden in den Schrank geräumt.
Jeder der Drei bewegte sich vorsichtig im Raum, nur um keine großen Erschütterungen auszulösen. Chris meinte: „Der Turm soll immer stehenbleiben, so schön ist der geworden.“
„Einige Tage wäre schon schön“, erklärte Sonja, die große Schwester, sehr erwachsen wirkend in diesem Moment. Markus, der das Bauwerk anschaute, lobte: „Das haben wir doch wieder sehr gut gemacht. Er sieht richtig toll aus. Deine Idee, die Steine oben nach Farben zu verbauen, sieht schön aus, Sonja.“
„Ja mir gefällt es auch. So nun stelle ich den Stuhl weg, nicht dass er noch an den Turm stößt, dann war alles umsonst!“ Der große Stuhl wurde wieder zum großen Tisch getragen, an dem die Drei aßen und spielten oder aber die Älteren ihre Hausaufgaben machten.
Turmbau3jpg   Auch der Vater bewunderte beim Abendessen den Turm. Als es ans „Gute- Nacht sagen“ ging, schlossen auch die Eltern vorsichtig die Tür, damit das Bauwerk nicht einstürzte durch den Luftzug. Mehrere Tage vergingen, der Turm stand immer noch im Zimmer hinter dem Bett. Jeder Neue, der das Zimmer betrat wurde gewarnt. Doch eines Nachts geschah das Unvermeidliche. Markus oder Sonja bewegten sich wohl zu viel im Bett, die beiden waren unruhige Schläfer. Da kam wohl ein Luftzug zu viel.
Mit einem satten Krachen und Poltern stürzte der Turm in sich zusammen. Erschrocken waren die Kinder hochgefahren in ihren Betten. Im Flur ging das Licht an. Auch die Eltern waren von diesem Poltern wach geworden und wollten den Grund erfahren. Die Tür ging vorsichtig auf, schon klackten die Holzsteine an die Tür, das Licht wurde ebenfalls eingeschaltet. Zwischen dem Doppelstockbett und der Tür lag der Berg mit den Steinen. Die Ursache war geklärt, alle konnten wieder weiter schlafen. Nur vor der Schule mussten Sonja und Markus gemeinsam mit Chris die Steine wieder in die Säcke packen, die ihre Mutter dafür genäht hatte.

Das Loch im Taschentuch

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In einer Zeit wo Fernsehen, Video und Internet noch nicht zum Lebensalltag eines Kindes gehörten, gab es öfter lustige Begebenheiten. Wenn man außerdem zwei Geschwister hat, erlebt man so einiges mit ihnen oder wird selber zum Auslöser von Geschichten, die in die Familienchronik eingehen.
Geschenke1Ich muss so etwa acht Jahre alt gewesen sein, mein „großer“ Bruder sieben Jahre, als diese Geschichte spielte. Meine Mutter hatte nun bald Geburtstag. In unserer Familie war es üblich, dass wir Kinder die Ge-schenke selbst bastelten. Dies taten wir gerne, mit mal mehr mal weniger Geduld. Auch das Geschick war nicht bei jeder Arbeit gleich verteilt. Ich konnte besser sticken, mein Bruder besser mit Holz arbeiten. Aber an diesem Geburtstag hatte sich mein Bruder an eine kleine Stickarbeit gewagt. Ein Taschentuch für Mama war bestickt worden.
Stolz zeigte er das kleine viereckige Stoffstückchen, das mit Spitze umsäumt war, uns Geschwistern. Wir bewunderten es, sogar ich, die sehr kritisch war, denn ich konnte damals wirklich gut schon sticken. Nun begann der schwerste Teil, das kleine weiche Tuch musste verpackt werden. Dies war nun nicht die Stärke meines Bruders, aber er wollte es unbedingt alleine machen.
Es mochten wohl 15 Minuten vergangen sein, als das Taschentuch vor ihm lag. Was hatte er nur mit dem Papier angestellt. Lauter Falten schauten uns an. Die Ecken alle schief, eine stand besonders hervor. Mir gefiel das Aussehen überhaupt nicht. „Gib mal her, ich mache das ordentlich für Dich. So sieht das nicht schön aus.“, ganz die große Schwester herauskehrend.
Geschenke2Entschlossen nahm ich das kleine Päckchen in eine Hand, die andere Hand fasste die Schere. Ein rascher Schnitt, dann war die störende Ecke beseitigt. Im ers-ten Moment war ich zufrieden. Doch dann fiel ein kleines Stückchen Stoff aus dem Papier, das meiner Schere zum Opfer gefallen war.
Mein Bruder fing an zu weinen und schimpfte: „Du hast mein Geschenk kaputt gemacht, jetzt habe ich kein Geschenk für Mama!“ Ich legte die Schere aus der Hand. Mir kamen ebenfalls die Tränen. Ich wusste, dass mein Bruder einige Zeit dafür gebraucht hatte. Die Arbeit war wirklich ordentlich gewesen. Als nun ein zweistimmiges Geheul aus dem Kinderzimmer ertönte, öffnete sich die Tür meine Mutter kam herein.
„Was ist denn hier los? Warum weint ihr denn Beide?“ Fast zweistimmig erzählten nun mein Bruder und ich die Geschichte jeder aus seiner Sicht. Unsere Mutter verstand erst mal gar nichts.
Nur den letzten Satz: „..ob man den Stoff nicht mit Uhu ankleben kann?“
„Was wollt ihr mit Uhu ankleben, bei Stoff geht das nicht. Was ist eigentlich los, aber bitte nacheinander, damit ich Euch verstehe.“ Diesmal war Jörg schneller: „Sigrid hat mein Geschenk kaputt gemacht. Sie hat ein Loch in Dein Taschentuch geschnitten, das ich für Dich gestickt habe.“ Mein Bruder war kurz davor auf mich mit den Fäusten los zu gehen und mich zu schlagen.

„Stimmt so nicht“, erklärte ich nun meiner Mutter. „Ich wollte doch nur die Ecke am Geschenk abschneiden, die so schief heraus stand. Ich wusste doch nicht, dass da das Taschentuch war. Ich wollte doch nur, dass das Geschenk schön aussieht! Kann man das nicht mit Uhu ankleben?“ mich dabei an die Werbung erinnernd, die überall im Radio erklang. So saßen wir nun auf dem Teppich im Kinderzimmer, mein Bruder wütend und heulend, ich kläglich, weil mein Tun das Gegenteil erzeugt hatte, von dem was ich wollte. Meine Mutter stand zwischen uns, nicht wissend, wie sie reagieren sollte. Also wurde mein Bruder getröstet, dass man sich trotzdem noch darüber freuen würde. Langsam beruhigte sich Jörg. Mir dagegen wurde verboten noch mal ein verpacktes Geschenk ordentlicher zu machen.
Am Geburtstag wurde es dann sichtbar. Ich hatte ge-nau aus der Mitte ein kleines Stück Stoff heraus ge-schnitten. Ich glaube meine Mutter besitzt dieses Ta-schentuch heute noch, sorgfältig in einer Mappe aufbewahrt.

Eine Schaufel geht noch

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Die Krabbelgruppe hatte beschlossen mit allen Kindern auf den Spielplatz zu gehen. Die Mütter saßen auf zwei Bänken verteilt, unterhielten sich angeregt über die Kinder und die Wochenendpläne. Die Kinder, im Alter zwischen 1 und 2 Jahren, spielten friedlich miteinander. Streit um Förmchen und Schippen unterblieb, denn sie kannten sich alle untereinander. Das Spielzeug der anderen war ja immer interessanter als das eigene.

Kinderspielzeug1 Es waren so etwa knapp zwei Stunden vergangen, man wollte schon fast aufbrechen, als eine Mutter irritiert aufmerkte: „ Julia, Deine Tochter isst ja den Sand!“
Julia blickte nicht mal hoch, meinte nur gelassen: „Gabi, das macht sie an jedem Sandspieltag. Sie braucht immer ihre 6 Schaufeln Sand, das bin ich schon gewohnt, außer dass der Sand in der Windel zu finden ist, habe ich nicht feststellen können, dass es ihr schadet.“
„Aber im Sand sind so viele Keime und Bakterien, sie wird davon doch krank, was sie sich alles davon holen kann!“, lamentierte Gabi.
„Ganz ehrlich, Gabi, mein kleiner Dreckspatz war noch nicht einmal krank in diesem Sommer, Dreck reinigt demnach doch den Magen und stärkt die Abwehrstoffe, also lasse ich sie eben probieren, so oft sie es will. Wenn sie weiß, dass Sand nicht schmeckt, hört sie von alleine auf. Verhindern kann ich es nicht. Aber dafür sorgen, durch Nichtbeachtung, dass die Menge sich in Grenzen hält.“, erklärte Julia gelassen.
Kinderspielzeug4 Julias Tochter war sowieso diejenige, die nach einem Tag im Sandkasten immer am dreckigsten war, sie hatte sich daran gewöhnt, dafür gab es für Chiara eben immer ein schönes Wannenbad am Abend. Julia wischte sie auch niemals sauber, wenn sie auf dem Heimweg waren, das hatte sie schon des Öfteren probiert. Der Erfolg war gewesen, dass ihre kleine Lady noch eine Schaufel Sand hinterher geschoben hatte. Da sie der Meinung war, dass 6 Schaufeln pro Tag genug Ballaststoffe ergeben für so ein kleines Kind, hatte sie gelernt, die Säuberung zu unterlassen.
„Wie kannst Du nur so ruhig sein. Putz sie wenigstens sauber, das sieht ja scheußlich aus, wie kannst Du das ertragen?“, jammerte Gabi an Julia gewandt.
Diese schüttelte daraufhin nur den Kopf, fragte nur: „Findest du 6 Schaufeln Sand nicht ausreichend für einen Tag.“
„Ja, natürlich! Aber wieso diese seltsame Frage?“, wunderte sich Gabi.
„Weil Chiara dann sofort die nächste Schaufel hinterher schiebt, wenn ich ihr das Gesicht wische. Das muss einfach nicht sein, findest Du nicht!?“
Gabi stand nun energisch auf, holte einen Waschlappen hervor. „Was hast Du denn vor?“ war es nun Julia, die sich wunderte. „Ich wasche Deiner Tochter den Mund ab, das kann man ja nicht mit ansehen!“, erklärte Gabi.
„Sie hat genug Sand für heute gegessen, sie soll noch welchen für die anderen übrig lassen! Gabi, bitte, was Du machen willst ist sinnlos!!“, wurde Julia nun unwillig.
Doch Gabi akzeptierte Julias Argumente nicht, trat in den Sandkasten, nahm Chiara in den Arm, wischte ihr mit dem Lappen das Gesicht sauber. Die anderen Mütter, die schweigend zugehört hatten, schüttelten nun den Kopf. Julia seufzte leise auf. Sie wusste, was nun kommen würde. Befriedigt kam Gabi zurück, setzte sich, schaute zum Sandkasten hinüber. Chiara kletterte die Babyrutsche hinauf, setzte sich, stieß sich ab. Als sie unten ankam, ergriff sie ihre Sandschaufel. Noch während Gabi den Lappen verpackte, lud Klein- Chiara ihre Schaufel, hob den Sand an ihren Mund und stopfte hinein, was der kleine Mund fasste. Gabi war fassungslos, die anderen Mütter grinsten ein wenig schadenfroh. Julia zuckte nur die Achseln.

Kinderspielzeug3
Nach einer Weile packten die Mütter das Spielzeug zusammen, alle bis auf Julia wischten ihre Kinder sauber. Chiara packte ihre Sandsachen in den Kinderwagen schob diesen kräftig mit. Brabbelte vor sich hin, strahlte alle an, die letzten Sandkörner sah man noch am Mund und auf den Wangen kleben. Zu Hause wurde der letzte Sand über dem Waschbecken von Julia sanft weg gestrichen. Dann durfte Chiara ihr Wannenbad genießen, das völlig ohne Badezusätze blieb, denn Badewasser schmeckte eben einer kleinen jungen Dame von 1 ½ Jahren ebenfalls nicht schlecht.